Stillen ist mitunter eins der Themen um die sich die meisten Mythen ranken. Als Stillberaterin erreichen mich täglich mehrere davon. Das Thema Ernährung in der Stillzeit ist dabei ganz hoch im Kurs. Schnell wird aus Unwissenheit entweder von Anfang an gar nicht gestillt oder sehr schnell abgestillt. Sei es, weil die Frau sich nicht vorstellen kann so lang auf viele Dinge zu verzichten oder einfach weil sich das Stillen vermeintlich als kompliziert und unpraktisch herausstellt.
Die meisten Mütter haben so wahnsinnige Angst davor irgendetwas falsches zu essen oder anderweitig zu sich zu nehmen und ihrem Kind dabei unabsichtlich zu Schaden, dass sie ihm dabei das wichtigste verwehren , was ihr Kind in seinem ganzen Leben zu sich nehmen wird:
die Muttermilch
Um zu verstehen, dass die meisten Nahrungsmittel der Mutter nichts mit Bauchschmerzen oder sonstigen Problemen beim Kind zu tun haben, muss man erst einmal wissen, wie Muttermilch überhaupt entsteht. Viele Mütter denken immer noch, dass die Milch aus ihrem Essen gebildet wird. Aber mal ehrlich: Wie soll denn mein Mageninhalt in meine Brust kommen?
Vereinfacht gesagt ist es so: Blutgefäße enden in der mütterlichen Brust in den Milchbläschen, deren Inneres mit milchbildenden Drüsenzellen ausgekleidet ist. Die Muttermilch wird also aus dem mütterlichen Blut gemacht und nicht aus der Nahrung der Mutter. Alleine mit diesem Wissen machen viele Mythen rund um die Ernährung in der Stillzeit gar keinen Sinn mehr.
Muttermilch und deren Bildung ist ein unheimlich komplexes Thema und so ganz werden wir dieses Wunder der Natur vielleicht nie verstehen. Doch ein paar wissenschaftliche Fakten und widerlegte Mythen sind folgende:
„Mein Kind bekommt Bauchschmerzen und Blähungen wenn ich Kohl / Zwiebeln / Bohnen / … esse.“
Fakt ist, dass viele Babys Probleme mit Blähungen haben. Fakt ist aber auch, dass dies an dem noch unreifen Darm und nicht an der Nahrung der Mutter liegt. Blähende Lebensmittel bilden bei ihrer Verstoffwechselung vermehrt Gase, die irgendwie aus dem Darm wieder raus müssen. Das können sie nur auf einem Weg: Die Mama bekommt Blähungen.
Die Gase gelangen allerdings nicht ins Blut und somit auch nicht in die Muttermilch.
Ich habe festgestellt, dass viele Mütter, nach dem Konsum von blähenden Lebensmitteln, verstärkt auf Reaktionen ihres Kindes warten. So nehmen sie kleinste Verhaltensänderungen ihres Babys verstärkt war, denen sie sonst gar keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte.
„Von Zitrusfrüchten, Erdbeeren oder auch Kohlensäure bekommt mein Kind einen roten Po“
Weder das mütterliche Blut, noch die Muttermilch sind nach dem Genuss von säurehaltigen Nahrungsmitteln sauer. Säure aus Lebensmitteln wird im mütterlichen Verdauungstrakt neutralisiert. Bedenke dabei, dass die Magensäure um ein vielfaches saurer ist, als jedes Lebensmittel. Somit ist ein roter Po durch säurehaltiges Essen schlicht unmöglich.
Dennoch können wenige winzige Bestandteile der Nahrungsmittel ins Blut und somit auch in die Muttermilch gelangen.
Zum Beispiel können sich ein paar Vitamine in der Muttermilch anreichern, dazu gehören Vitamin D und Vitamin C.
Auch Bestandteile von Fremdeiweißen, wie das Kuhmilcheiweiß, gelangen in die Muttermilch. Das spielt allerdings nur bei allergischen Kindern eine Rolle, da diese auch schon auf die kleinsten Spuren reagieren können. Eine Kuhmilcheiweißallergie kann sich mit starken Koliken, Durchfall, Blutspuren im Stuhl aber auch mit Hautausschlägen und Atemproblemen äußern.
Auch Eier, Soja, Fisch, Mais und Nüsse sind häufige Allergene, deren Bestandteile in die Muttermilch übergehen und somit beim allergischen Kind Probleme verursachen können.
Wenn keine Allergie beim Kind besteht, sollte die Mutter aber auf keinen Fall auf diese Lebensmittel verzichten.
Auch starke Aromen gehören zu den wenigen Dingen, die einen Einfluss auf die Muttermilch haben.
Eigentlich können alle Aromen, bei denen wir nach dem Essen über die Haut danach riechen, auch in die Muttermilch gelangen. Dies ist zum Beispiel bei Zwiebeln und Knoblauch der Fall. Auch Lakritze oder Vanille sind Lebensmittel die solche Aromastoffe enthalten.
Aus diesem Grund sollten diese Lebensmittel aber nicht gemieden werden. Im Gegenteil wird eine geschmacklich abwechslungsreiche mütterliche Nahrung sogar empfohlen. Studien ergaben, dass Babys „Knoblauchmilch“ einer nicht aromatisierten Milch vorziehen und auch später abwechslungsreicher essen.
Am wichtigsten ist, dass eine Mama in der Stillzeit isst, was ihr schmeckt
Weltweit ernähren sich stillende Frauen sehr unterschiedlich, in einigen Kulturen gelten Lebensmittel als besonders geeignet, die in Deutschland als blähend für den Säugling gelten. Die Babys aus diesen Kulturen haben nicht mehr oder öfter mit Blähungen zu kämpfen als die Babys hier bei uns.
Gerade in den ersten Wochen nach der Geburt ist es für die Mutter oft schwer überhaupt zum Essen zu kommen. Spezielle Ernährungsvorschriften und Verbote tragen nicht gerade zu einer entspannten Stillzeit bei und mindern sogar die Motivation überhaupt zu stillen.
Stillende Mütter sollten sich, wie alle anderen nach ihren persönlichen Vorlieben so vielfältig wie möglich ernähren und ein normales Leben weiter führen.
Quellen
Lawrence R.A. / Lawrence R.M (2015) Breastfeeding: A guide for the Medical Profession, Elsevier
ILCA, Core Curriculum for Lactation Consultant Practice
Hartmann P / Hale, T: Textbook of Human Lactation (2007), First Edition, Amarillo : Hale Publishing