Muttermilch oder Säuglingsmilch, Stillen oder Flasche – diese Frage kommt schon während der Schwangerschaft auf die meisten von uns zu.
Und natürlich ist künstliche Säuglingsnahrung der einzige akzeptable Ersatz für Muttermilch, wenn eine Frau nicht stillen kann oder stillen möchte. Aber es ist nun mal nur ein Ersatz und wenn du die Wahl hast, ob du stillst oder dein Kind mit Formulamilch ernährst, solltest du dir diese Entscheidung wirklich gründlich überlegen.
Denn anders als von Säuglingsnahrungsherstellern behauptet, ist Pulvermilch der Muttermilch auch heute noch keineswegs ähnlich oder gar gleichwertig.
Muttermilch oder Säuglingsmilch Die größten Unterschiede
Moderne Säuglingsnahrung ähnelt nur oberflächlich der Muttermilch. Grundsätzlich sind Formulanahrungen ungenaue Kopien auf Grundlage veralteter und unvollständiger Kenntnisse darüber, was Muttermilch ist.
Die Hersteller versuchen seit langem Muttermilch zu kopieren und wenn man sich die Anfänge der künstlichen Säuglingsnahrung ansieht, ist die Qualität bis heute definitiv stark gestiegen. Dennoch können zahlreiche Inhaltsstoffe der Muttermilch nach heutigem Stand der Wissenschaft gar nicht künstlich hergestellt werden, mal abgesehen davon, dass wir noch nicht mal alle Inhaltsstoffe der Muttermilch, geschweige denn deren Zusammenspiel kennen.
Die einzigen Punkte in denen Säuglingsmilch der Muttermilch ähnelt sind der Kaloriengehalt, der Wassergehalt (zumindest bei Pre-Nahrung) und ein paar wenige grundlegende Nährstoffe. Formulamilch schafft es nur, das Kind wachsen zu lassen. Aber Muttermilch und Stillen ist so viel mehr als das. Daher wird Formulamilch niemals ein mit der Muttermilch vergleichbares Produkt sein und sollte, nach Möglichkeit, nur im Notfall Anwendung finden.
Über 3 Millionen Jahre Evolution haben Muttermilch zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie ist perfekt auf jedes einzelne Baby einer Mutter abgestimmt. Sie enthält Antikörper, lebende Zellen, Enzyme und Hormone. Sie ist die komplexeste Muttermilch aller Säugetiere und genau auf die Bedürfnisse unserer Hirnentwicklung, unseres Verdauungs- und Immunsystems und vielem mehr abgestimmt.
Allein die Proteine und Fette in Formulamilch unterscheiden sich grundlegend von denen in der Muttermilch. Künstliche Säuglingsnahrung ist aus der Muttermilch anderer Säugetiere gemacht, in den meisten Fällen aus Kuhmilch, und muss in einem aufwendigen Verfahren so verarbeitet werden, dass sie für Menschenbabys nicht gefährlich ist und sie die Milch überhaupt vertragen.
Muttermilch oder Säuglingsmilch: Die wichtigsten Inhaltsstoffe
Muttermilch enthält neben Wasser, Kohlenhydraten, einer beträchtlichen Anzahl an verschiedenen Fetten, Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, Bausteinen unserer DNA und verschiedener Antikörper auch Faktoren, die Tumorzellen zerstören, unverzichtbar für eine optimale Hirnentwicklung sind, die Reifung der Darmschleimhaut unterstützen, allergische und anaphylaktische Reaktionen verhindern, Bakterien, Viren und Pilze neutralisieren, helfen kritische Nährstoffe wie Eisen und Vitamin B12 besser aufzunehmen, Entzündungen minimieren und sogar durch Entzündungen aufgetretene Schäden reparieren.
Künstliche Säuglingsnahrung hingegen besteht im Wesentlichen aus entrahmter Kuhmilch, Emulgatoren und Stabilisatoren, oft zusätzlichem Zucker, Palm-, Raps-, Soja- und Fischöl und ein paar Mineralstoffen und Vitaminen.
Zur Verdeutlichung habe ich euch die Inhaltsstoffe von Muttermilch und Säuglingsmilch in einem Bild zusammengefasst:
Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist Muttermilch viel zu komplex aufgebaut um ein ebenbürtiges Produkt herstellen zu können. Hersteller die ihre Säuglingsnahrung mit Aussagen wie „nach dem Vorbild der Muttermilch“ oder „Muttermilch-nahe“ bewerben, führen Eltern in die Irre.
In Muttermilch befinden sich mehr als 1000 Proteine und über 200 verschiedene Oligosaccharide. Formulamilch enthält in der Regel jeweils eines davon.
Muttermilch oder Säuglingsmilch: Die Entscheidung
Wenn einer Mutter aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht stillen kann, ist und bleibt Pre-Nahrung, nach der Option von Spendermuttermilch, die einzige Möglichkeit ein Baby zu ernähren.
In dem Fall solltest du dir überlegen, deinem Kind zumindest das wichtige Kolostrum, deine erste dickflüssige Milch, nach der Geburt zukommen zu lassen. Dafür musst du dein Baby nicht mal anlegen. Du kannst das Kolostrum per Hand ausdrücken und per Spritze füttern. Denn jeder Tropfen zählt und das Kolostrum erleichtert deinem Baby den Start ins Leben.
Wenn du dir einfach noch nicht sicher bist, ob du stillen willst, Angst vor Schmerzen oder dass es einfach nicht klappt hast, dann kann ich dir nur empfehlen, es zumindest zu probieren. Denn auch hier gilt, dass jeder Tropfen zählt.
Die ersten Wochen mit Baby sind nicht leicht und Stillprobleme machen diese Zeit nicht einfacher. Oft sind gerade die gut gemeinten Tipps und Ratschläge von nicht oder schlecht fortgebildeten Ärzten, Krankenschwestern oder Hebammen überhaupt erst für Probleme verantwortlich. Mit einer guten Stillvorbereitung kommt es erst gar nicht zu solchen Schwierigkeiten und sollte doch mal nicht alles glatt laufen, gibt es mit Stillberatern extra dafür ausgebildetes Fachpersonal, das dir helfen kann.
Dafür steh ich mit meinem Namen ;-)
Quellen
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Douglas College, New Westminster Canada;Cecily Heslett, Sherri Medberg, HaleyRumble